ein Essay in gekürzter Fassung
Was wurde nicht alles in den Zeitungen geschrieben. Von blankem Verrat an der Architektur wurde gesprochen sowie von einzig richtigen Entscheidungen im übertragenen Sinne. Die starke mediale Unterfütterung des Wettbewerbs, der prominente Baugrund des Schlossareals sowie das generell hohe Interesse der Öffentlichkeit an historisch bemerkenswerter Substanz führten und führen immer noch zu übertrieben hitzigen Debatten. An der Diskussion um die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses beteiligen sich Fachleuchte, solche die es gerne wären und ausgewiesene Laien. Als Architekturstudent würde man sich über ein ähnlich hohes Interesse an aktuellen Themen gebauter Umwelt seitens der Öffentlichkeit sehr freuen. Geschiehe dies im produktiven Diskurs und nicht wie üblich durch standardisiertes Abwerten im Nachhinein, würden die Herren der Schöpfung davon profitieren und ihre Unsicherheit verlieren. Was aber die Beweggründe der breiten Masse für Sentimentalität und Rekonstruktivismus auf der einen und ihre Skepsis gegenüber moderner Architektur und kreativem Bauen im Bestand auf der anderen Seite sind, soll nun nicht zur Debatte stehn. Am Beispiel Berlin wird die Brisanz des Themas „Umgang mit alter Bausubstanz“ zwar deutlich, doch Architektur in Deutschland kann mehr.
Subjektiv betrachtet eignet sich die Stadtschlossdebatte kaum zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit dem Sujet, da es nicht wirklich ein verdichtetes städtebauliches Umfeld gibt in das versucht wird behutsam einzugreifen um altes mit Neuem zu verbinden. Ein wenig Restbestand sowie wenigstens zeitliche Nähe sucht man auch vergebens um daran anzuknüpfen. Es wird also bei null angefangen und an drei minutiös rekonstruierte Fassaden, welche im weiteren Verlauf als simulierter Bestand fungieren, angebaut.
„Nur was vom Bestande durchseelt werden kann, gewinnt den Geist und das Gesicht seiner Zeit“. Rudolf Steinbach formulierte dies in seinem Buch „die alte Brücke in Heidelberg und die Problematik des Wiederaufbaus“ und meint damit folgendes: Genaue Rekonstruktion sollte man nur erlauben, wenn funktionale Notwendigkeit und genauste Kenntnis des Baukunstwerks gegeben sind und wenn die alte Technik aufs Sorgfältigste angewendet wird und wesentliche Teile erhalten sind. Wenn auch manche Argumente aus heutiger Sicht übertrieben erscheinen, so ist vor allem das Letzte von essentieller Wichtigkeit. Es bewahrt uns vor einem dritten Schloss Neuschwanstein (Das zweite steht mittlerweile schon im Pariser DisneyLand). Barocke Gebäude erhalten Ihren Schein nicht bloß durch ihre dekorative Ornamentik sondern durch Ihre Patina und durch die Aura, welche sie umgibt. Beides benötigt Zeit. Kein zeitgenössischer Architekt wird den kreativen Rückgriff auf historische Formensprachen leugnen, doch sollte der gesunde Menschenverstand vor der platten Reproduktion bewahren.
Die Moderne schuf ungenügende, unbefriedigende Stadträume und schuf somit die Ablehnung einer ganzen Stilrichtung. Vielleicht kann eine Rückbesinnung auf die alte europäische Stadt Abhilfe schaffen. Max Dudlers Gasse zwischen seiner Diözesanbibliothek und des ehemaligen Liebfrauenklosters zeigen beispielhaft, dass durch moderne architektonische Intervention städtebauliche Glanzleistungen im historischem Kontext möglich sind.
Vielleicht liegt die Lösung mehr in der Rekonstruktion alter historischer Stadtbilder als im detailgetreuen Nachbau barocker Gesimse. Atmosphäre und architektonische Qualität statt banaler melancholischer Romantik.
Dienstag, 21. April 2009
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